Das Leben lernt von Anfang

Pränatale Prägungen: Wenn das Leben sich vom ersten Moment an bedroht fühlt, beginnt die Regulation des Überlebens sehr früh.

Pränatale Prägungen

Vor vielen Jahren habe ich die Internationale Gesellschaft für Prä-und Perinatale Psychologie und Medizin (ISPPM) kennengelernt. Interdisziplinär beschäftigen sich Psycholog*innen, Gestalttherapeut*innen, Ärzt*innen und Hebammen mit den frühesten Phasen der menschlichen Entwicklung. Das Wissen um die Prägungen der ersten Zellteilung und energetische Messverfahren wie die Regulationsdiagnostik von Popp helfen mir, zu verstehen, wie Körpersysteme regulieren, wo sie Unterstützung brauchen und wo es sinnvoll ist, mit einer Therapie anzusetzen.

Wenn das Leben sich vom ersten Moment an bedroht fühlt, beginnt die Regulation des Überlebens sehr früh.

Regulationsdiagnostik nach Prof. Fritz Albert Popp

„Galle wies die Existenz und Bedeutung eines „morphogenetischen Feldes“ nach, das Alexander Gurwitsch 1923 postulierte. Zellen erwiesen sich eben nicht nur in der Phantasie, sondern auch im seriösen Experiment als echte Lebewesen, die sich nicht mit der Rolle manipulierbarer Enzympäckchen oder gentechnisch verwertbarer Biomaschinen begnügen.“

(Popp, S. 85)

Das wichtigste Medium für die Informationsausbreitung zwischen den Systemen ist nach Pischinger die extrazelluläre Flüssigkeit im Bindegewebe. Dieser „Raum“ außerhalb der Zellen mit den Bindegewebszellen bezeichnet man heute auch als „Pischinger Raum“. Andere Namen dafür sind auch: Grundsubstanz, Zellmatrix, Gewebematrix oder auch einfach nur „Die Matrix“. Sie besteht aus den unterschiedlichen Zellen, der strukturierten Zwischenzellsubstanz, außerdem umfasst sie Nervenenden, die offenen Lymphbahnen und die Endstrombahn des menschlichen Gefäßsystems.

Die Grundsubstanz ist das zentrale Regulationsorgan des menschlichen Organismus. Der Zustand bzw. die Struktur dieses Gewebes beeinflusst die Körperzellen und ihre Funktion, genauso wie die verschiedenen Funktionen der Zellen die Struktur des Bindegewebes verändern.

Hier werden Vitalstoffe gefiltert, wie z. B. Proteine, die die Zellen zur Verarbeitung benötigen. Ebenso transportiert, bindet und filtert es die verschiedensten Stoffwechselprodukte.

In der therapeutischen Arbeit mit traumatisierten Patient*innen treffen wir auf Symptome wie Schmerzen im Bindegewebe, welche die Folge von abgelagerten toxischen Stoffwechselprodukten sind, die nicht transportiert und entsorgt wurden. Es kann eine frühe Kompensation bei Stresserfahrungen im Zellsystem sein, also eine Prägung schon in der Schwangerschaft.

Informationssysteme

Die sich teilende Zelle im Mutterleib sitzt in einem unendlichen Feld von zusammenwirkenden auf Information angewiesenen Systemen, die wir vielleicht erst in einigen Jahrzehnten richtig verstehen können.

„Der Mensch muss mittels seines feinstofflichen Körperfeldes als lokal, regional, global, planetar, solar und kosmisch vernetzt angesehen werden. Und bei  dieser holographischen Vernetzung spielen, wie mehrfach gesagt, biologisch aktive und physiologisch/psychologisch wirkende negotrophische und entropische Faktoren feinstofflicher Art über „Schnittstellen“ in unserem Körper die wesentliche Rolle.“

(Klaus Volkamer, S. 233)

Warum habe ich soweit ausgeholt?

Weil ich verständlich machen möchte, das unendlich viele Informationssysteme, ohne Hierarchie im ständigen Miteinander die Regulation des Lebens ausmachen. Und wie unser Gehirn, das, wie wir heute wissen, plastisch ist und sich verändern kann, lernen diese Systeme ständig in ihrem Umfeld.

Entwicklung im Mutterleib

Von der ersten Zellteilung an lernt die Zelle zu regulieren. Sie will leben. Sie fühlt, reagiert, verändert ihr Wissen mit jeder Erfahrung, die sie macht.

Nach 8 Tagen teilt sich die befruchtete Eizelle in das Ich, das neue Wesen, und in den Mutterkuchen, welcher an der Gebärmutter andockt, sowie in die eigene Nabelschnur.

Es ist der erste Kontakt des neuen Lebens mit dem Alten. Trifft es auf Bereitschaft oder Ablehnung? Das Blut der Mutter bringt nicht nur Nahrung. Die Placenta ist kein Schutzschild wie früher angenommen. Stresshormone, endokrine Disruptoren und nicht durch den Mutterkuchen gefilterte Toxine können das wachsende Leben erreichen. Sie blockieren natürliche Hormone und verhindern Nachrichten im System. Das Kind muss sich entscheiden, sich verhalten, vielleicht seinen Kreislauf gegen das Blut der Mutter steuern, wenn es bedrohlich wird. Wenn die Belastungen zu einer kritischen Zeit der körperlichen Entwicklung stattfinden, kann sogar eine sehr geringe Menge von hormonverändernden Substanzen das endokrine System aus dem Gleichgewicht bringen. Die Belastungen einer Frau während der Schwangerschaft können zu Fortpflanzungsproblemen bei ihren Kindern, Enkelkindern und wahrscheinlich auch in zukünftigen Generationen werden.

Spiegelneuronen

Am Bauchnabel liegen die Spiegelneuronen1, 80 % der Informationen gehen von hier in den Kopf, 20% vom Kopf in den Bauch. Diese Spiegelneuronen steuern unseren Dünndarm. Hier sitzt die Intuition, die uns hilft, unser Umfeld zu verstehen, bevor wir denken können. Hier spüren wir im späteren Leben den Stress, der intuitiv unser Handeln beeinflusst.

Und hier können wir therapeutisch anfangen. Wer von uns kennt nicht die Wärmflasche auf dem Bauchnabel, welche Entspannung und Ruhe in unser Nervensystem bringt. Wärme, Handauflegen, Streicheln auf dem Bauchnabel, Stillen, Streicheln über den Kopf regen die Bildung von Oxitocyn, dem Kuschel- und Bindungshormon, an.

Stress in der Schwangerschaft

Die In Vitro Fertilisation programmiert Stress. Hormone manipulieren die Systeme der Frau, die Eizelle befindet sich für drei Tage außerhalb in einem fremden Milieu, und wenn Sie Pech hat, kann sie sich den Samen, mit welchem sie sich verschmelzen möchte, nicht aussuchen. Bei ICSI (Intrazytoplasmatische Spermieninjektion) wird ein einzelnes Spermium, das erschwert oder nicht zeugungsfähig ist, mit der Pipette durch die Membranen in die Eizelle hinein gestoßen. Die Fehlbildungsrate bei IVF ist erhöht, die Verschmelzung von Ei und Samenzelle im falschen Milieu der Petrischale verändert epigenetische Informationen. Auch Hormonbehandlungen verändern die Epigenetik.

Unabhängig von den Methoden der In Vitro Fertilisation, muss davon ausgegangen werden, dass Stress in der Schwangerschaft so prägend ist, dass es uns noch in den nächsten Generationen sehr beschäftigen wird.

Am Beginn des Lebens steht nicht das Vertrauen der Mutter in ihren eigenen Körper, den ewigen Wechsel von Leben und Tod und damit angebunden sein an das Universum, sondern ab der ersten Untersuchung existiert die Angst vor einem Schaden des Kindes, vor Fehlern in der eigenen Lebensführung und vielem mehr.

Frauen sind ständig im Konflikt. Unsere Gesellschaft befindet sich in einem Umbruch. Neue Gesellschaftsformen entstehen. Der Fokus auf eine behütete Schwangerschaft in dem Wissen um die Folgen für die nächsten Generationen bleibt anscheinend nur im Blickfeld bei den von Existenzängsten bedrohten Hebammen.

Stress für das Kind ist:

  • Hunger der Mutter (auch nach falscher Diagnose bei Gestationsdiabetes)
  • Ablehnung der Schwangerschaft
  • Abtreibungsversuche
  • Traumatische Erfahrungen der Mutter (z.B. auf der Flucht, Kriegserlebnisse)
  • Gefährdung der Schwangerschaft durch Stress der Mutter und/oder körperliche Probleme
  • Psychische Probleme der Mutter
  • Vorsorgeuntersuchungen (Amniozentese, Ultraschall, Test auf Gestationsdiabetes)

Je früher umso tiefer ist die Erinnerung an das Geschehen im Gehirn und im Zellsystem. Z.B. werden die ersten 4 Monate in der Medula Oblongata, dem Stammhirn gespeichert. Bei lebensbedrohlichen Erfahrungen in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten kann die Reaktion des Erwachsenen bei Gefahr eine lähmende Angst sein.

Stresssysteme

Die Ausschüttung des Corticotropin realeasing Hormon (CRH) unterliegt einem zirkadianen Rhythmus (morgens stärkere Sekretion als am Abend), Impulsen aus dem limbischen System und der negativen Rückkopplung durch die unter ACTH Einfluss gebildeten Glucocorticoide in der Nebennierenrinde.

Das CRH hat Wirkung auf das Nervensystem, den Kreislauf und den Stoffwechsel. Es erhöht den Blutdruck und kann rötliche Flecken am Hals bei Stress hervorrufen

Das Glucocorticoid-Rezeptor-Gen ist ein Rezeptor des Stresshormons Cortisol und dient als Schaltstelle im Hormonsystem. Es ist die Schnittstelle für die Auswirkungen von Hormonen auf Hirnfunktionen – wie z.B. die Reaktion auf Stressoren – und beeinflusst die Stressempfindlichkeit eines Menschen wie auch seine Anfälligkeit für psychische Störungen

Erkennbar ist der frühe Einfluss von Stress in der Koordination des Lebens an:

  • Problemen im Magen-Darm-Bereich
  • einem kalten Bauchnabel
  • Angstgefühle, die nicht durch Erlebtes erklärbar sind
  • ausgeprägte Finger- und Zehenkuppen
  • Bindungsstörungen

Laut Studie von Prof. Thomas Elbert, Psychologe und Prof. Axel Meyer, Evolutionsbiologe, Uni Konstanz bewirkt eine andauernde Bedrohungssituation bei schwangeren Frauen eine epigenetische Veränderung im Glucocorticoid-Rezeptor-Gen des Kindes – es entwickelt sich eine anfällige Stressachse. Der Körper signalisiert diesen Kindern, dass sie in einer bedrohlichen Umgebung aufwachsen werden. Die Kinder verhalten sich dadurch in ihrem späteren Leben ängstlicher und weniger neugierig.

Die gleichen Erfahrungen habe ich mit Kindern gemacht, die In Vitro oder mit ICSI gezeugt wurden, ebenso bei Kindern, deren Mütter geflohen sind und/oder vergewaltigt wurden.

Resumee

Das Leben lebt sich selbst. Es atmet, ohne dass wir etwas dafür tun müssen. Es gibt keine Erfahrung in unserem Leben, die nicht einen Einfluss auf unsere Zellen hat. Dieses Wissen hilft uns zu verstehen, wie Regeneration funktioniert und hilft uns, weitere Ansätze zu finden, wie wir uns und unsere Patient*innen unterstützen können. Gehen wir, ohne zu tabuisieren, mit diesem Wissen um. Nicht nur für uns, sondern auch für die kommenden Generationen.

Literatur

  • Bauer, Joachim: Warum ich fühle, was du fühlst. Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone, Heyne Verlag, 2006
  • Janus, Ludwig: Die Psychoanalyse der vorgeburtlichen Lebenszeit und der Geburt.  Centaurus-Verlagsgesellschaft, 1990
  • Spork, Peter: Der Zweite Code: EPIGENETIK oder Wie wir unser Erbgut steuern können, Rowohlt Tb, 20145
  • Chamberlain, David: Woran Babys sich erinnern. Über die Anfänge unseres Bewusstseins im Mutterleib, Kösel Verlag, 20105
  • Popp, Fritz Albert: Biophotonen – Neue Horizonte in der Medizin. Von den Grundlagen der Biophotonik, Haug Verlag, 20063
  • Alberti, Bettina: Die Seele fühlt von Anfang an. Wie pränatale Erfahrungen unsere Beziehungsfähigkeit prägen, Kösel Verlag, 20058
  • Volkamer, Klaus: Die feinstoffliche Erweiterung unseres Weltbildes. Ansatz einer erweiterten Physik zur unbegrenzten Gewinnung Freier Energie aus der Feinstofflichkeit, Weißensee Verlag, 20154
  • http://www.peter-spork.de/files/newsletter_epigenetik_2016_01_mar.pdf
  • www.isppm.de, ISPPM, Internationale Gesellschaft für Prä-und Perinatale Psychologie und Medizin
  • www.gudrun-seeland.de/wahpt.html

Dieser Artikel erschien in der Kongress Ausgabe 2017 LACHESIS Nr. 47.

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