Vandana Shiva – The Power of People – Eine Filmbesprechung

Am 24.11.22 war ich bei der Deutschlandpremiere vom Film über Vandana Shiva in Berlin dabei, den ich sehr empfehlen möchte; für alle Menschen, die sich an Aktionen fürs Klima beteiligen, alle, die an eine anders mögliche Welt glauben, und daran, den Planeten demokratisch retten zu können. Vandana Shiva war persönlich präsent und stellte sich den Fragen: Es sei nicht ihr Wunsch gewesen, so im Zentrum des Films zu stehen, dies war die Entscheidung der Filmemacherin Camilla Becket aus Südafrika. Camilla Becket entschied so, um dadurch historisch wichtige Zusammenhänge sehr gut erzählbar werden zu lassen, was anders nicht so lebendig gelungen wäre. Das Thema Feminismus und Männer, das wichtig war, ist dabei, und sie erzählt meist über all die anderen Menschen, ohne die sie nicht so viel hätte bewegen und schaffen können.

Der Film zeigt anhand von Vandana Shivas Leben und Wirken zentrale Zusammenhänge historischer Entwicklungen und Wendepunkte sozialer Bewegungen für eine ökologische und demokratische Entwicklung unseres Planeten. Der Film ist hochaktuell, da die Menschheit auf der Erde existenziell bedroht ist von der zusammenhängenden Klimakatastrophen- und Biodiversitätskrise, welche mittlerweile auch zumeist als Basisursache für die Corona-Pandemie erkannt wird. Diese Krise wird demnächst auf der nächsten Weltbiodiversitätskonferenz verhandelt werden, die genauso wichtig ist, wie die COP27 Klimakonferenz der Vereinten Nationen!

Vandana Shiva erlebte als Kind, wie die Eltern, relativ einfache Leute der Mittelklasse, das Ende der direkten Kolonialherrschaft nutzten, um sich vor Ort für die Natur und die sozialen Fortschritte zu engagieren. Sie zeigt Indiens vielfältige und lebendige demokratische Zivilgesellschaften, die eigene Zugänge zur Überwindung von Kasten, Klassen und Genderhierarchien entwickelten. Heute ist das sehr wichtig zu wissen, als Gegenbild zu dem, was der Hindunationalist Modi entwirft.

Vandana Shivas wissenschaftliche Ausbildung als Quantenphysikerin, verbunden mit dem lebenspraktischen Rückbezug auf das ökologisch lebendige Wissen der örtlichen indigenen Frauen, entspricht dem, was feministische Wissenschaftskritik der 80er Jahre als Anspruch auch bei uns formuliert hatte:

Wissenschaftliche Theoriebildung muss sich beweisen, indem sie an ihrer demokratisch-emanzipatorischen Wirkung zu prüfen ist. Nur Theorie, welche die Befreiung benachteiligter Bevölkerungsgruppen ermöglicht, kann sich als in der Praxis erwiesen sehen. Dies war das Ergebnis der Analyse, wie sehr wissenschaftliche Theorien im Patriarchat benutzt worden waren, um die Unterdrückung der Frauen zu begründen.

Der Film zeigt eindrücklich, wie die Wirkung dieser wissenschaftlichen Theorie-Praxis-Mischung durch Vandana Shiva vor Ort sehr erfolgreich dabei war, das anzuwenden, was ökologische Bewegungen auch bei uns in den 80ern gefordert hatten, was aber praktisch nie angewendet worden war:

Dem Staat wissenschaftlich vorzurechnen, was die ökologischen und sozialen Folgekosten konkreter Projekte sind, und damit den Staat zu zwingen, sie einzustellen, weil die Kosten der Zerstörung der Wälder, der Grundwasserspeicher und der Bodenerosion davon zusammengenommen bedeuten und dann den Staat dazu zu bringen, Gesetze gegen den Raubbau tatsächlich zu erlassen. Davon träumen so viel Aktivistinnen der jungen Generation heutzutage, dass der Film hoffentlich auch Furore bei den Fridays for Future und Extinction Rebellion-Gruppen macht.

Auch ist der Film hochaktuell, weil die Biodiversität in Europa weiter durch Pläne der GenTech + Chemiegifte-Industrie (Bayer-Monsanto) bedroht wird. Diese lobbyieren in der EU dafür, dass 2023 die GenTech-Kennzeichnungs- und Präventionsrichtlinien für GenTech in der Landwirtschaft fallengelassen werden sollen. Sie verkaufen ihre giftigen Pläne der konzerngesteuerten Wissenschaft als Rettung für die Menschheit, als wenn gentechnisch veränderte Pflanzen und Menschen die Anpassung an 2-3 °C heißere Zustände auf dem Planeten ermöglichen könnten. Das ist Unfug! Im Gegenteil, es muss das Verbot von Glyphosat und ähnlichen Chemie-Ackergiften viel früher kommen, damit die Biodiversität gerettet werden kann, die wir zum Überleben brauchen. Gerade dafür ist der Film so wichtig, weil er anhand der realen und fatalen Auswirkungen der sog. “Grünen Revolution” dieser Industrien in Indien deren komplettes und extrem tödliches Versagen den indischen Bauern und allen gegenüber aufzeigt.

Vandana Shiva gelingt es pointiert auch die Hintergründe der Kapitalismusherrschaft im Gefolge der Kolonialisierung auf den Punkt zu bringen, indem sie die Herrschenden im Finanzkapitalismus benennt. Heute sind es die Finanzfonds wie Black Rock etc., welche wesentlich die Politiker*innen der Regierungen beeinflussen. Erfolge der wissenschaftlichen Beweisführung, wie sie Vandana Shiva in ihrem Leben erreichte und im Film zu sehen sind, sind durch die Zunahme der Macht von Konzern-Lobbyismus heutzutage schwer zu halten. Doch für uns alle sollten sie sich demokratisch als wegweisend und systemverändernd für nachhaltige Ökonomien – etwa als Doughnut economic model” – durchsetzen, sonst haben wir keine Chance! Achtet darauf: Anfang Dezember tagt die Weltbiodiversitätskonferenz.

Gerne hätte mensch auch die Zusammenhänge zu den Kämpfen der indischen Bauern 2021 gegen die neoliberalen „Agrar-Reform“ der Modi-Regierung für Profite auch indischer Großinvestoren befragt, hier ist eine Lücke gewesen. Davon hört man im Film weniger. Es werden dann die ganz großen Namen genannt, auch wenn die Bauern in 2021 zunächst einen Erfolg gegen Modis Pläne erzielten. Offen ist, wie es weitergeht mit den wichtigen Zielen der Agrarökologie, für die Vandana Shiva globale Netzwerke baute, während sie wissenschaftlich das Weltbild von den kolonial-rassistischen Modellen des 20. Jahrhunderts zu dem aktuell geltenden Biodiversitäts-Weltbild verschob. Hierfür trat sie auf UN-Ebene mit Vielen ein, um mit der Fülle an wissenschaftlichen Evidenzen diesen Paradigmenwechsel zu schaffen. Rückwirkend macht dies auch die Geschichte von Kolonialismus und Rassismus analytisch klar. Was für uns Deutsche den Rassenwahn der NS-Zeit einschließt und die heute wiedererstarkenden kulturellen Rassismen, einschließlich den Hindufaschismus, durchschaubar macht. Auch mit Bezug zu Kriegen zeigt Vandana Shiva im Film auf, wie die Ursache von Konflikten meist in Krisen wegen Ressourcenmangel durch Extraaktivismus und dessen Folge sich verschärfen: Der Mangel für die einfachen Leute vor Ort und Frieden wäre, das im Zusammenhang zu verhandeln und zu begrenzen.

Heute kämpfen viele Menschen überall auf der Erde gegen die tödlichen Folgen von ungebremsten industriellen Extraaktivismus, der Zerstörung der natürlichen Zusammenhänge und Gleichgewichte; ob wir alle dadurch in Verwüstung, Kriege und Tod enden, ist nicht ausgemacht.

Im Lichte der gegenwärtigen Gefahren, des Ausverkaufs aller demokratischen Regeln, wie mit diesen Entwicklungen und Entscheidungen umzugehen ist, ist dieser Film sehr wichtig. Ich hoffe, dass viele Diskussionen entstehen mit diesem Film, auch, weil viele dieser Themen ursprünglich linke und feministische Kritiken heutzutage von Rechten besetzt und so blockiert werden, was dringend geändert werden muss!

Es gelingt Vandana Shiva, sehr viele Inhalte, die frei raus und ohne unter Naziverdacht zu kommen, zu thematisieren. So die Motivation von Menschen mit Konzernen, wie Bill Gates, die die Welt beherrschen zu wollen, werden im Film ganz klar erklärt anhand der Geschichten, die darin erzählt werden. Dies bringt den Kampf dagegen in einen antikolonialen (eher antifaschistischen) Zusammenhang. Auch die dediziert feministische Sicht auf Wissenschaft ist darin so umwerfen erzählt und belegt, dass es mich nur immer wieder wundert, warum wir nicht schon viel länger eine klare Verbindung herstellen. Ich fände es wichtig, von unserer Seite aus eine Filmvorführung mit Diskussion zu den medizinischen Aspekten zu machen, gerne mit den FFGZs. Wenn Vandana hierbei Lücken hat, wird sich das in der Diskussion klären, so hoffe ich.

Und natürlich wäre unser Anliegen, als feministischer Verein für Frauen*gesundheit und ganzheitliche Heilkunde, damit an die globale Frauenfriedensbewegung zu erinnern und anzuknüpfen, um die Friedensbewegung den Rechten zu entziehen. Der Spruch: “Weder Putin noch Nato!” wäre dazu ein Anfang!

LG

Ruth

Infos, wo und wann gibt es den Film zu sehen:

Vandana Shiva – The Power of People

Aktuell in Berlin hier zu sehen.

Bundesweite Filmtermine und mehr zum Hintergrund findet ihr hier beim Verleih Mindjazz.

Einen Podcast – engl. hier.

Trailer:

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One Comment

  1. Ruth Luschnat 17. Januar 2023 at 09:01 - Reply

    Die Demo für Agrarökologie und gegen Agrar Industrie findet wie immer am 21.01.23 in Berlin statt.

    Es gibt nun auch eine Gesundheit und Umwelt Allianz HEAL : Health and Environment Alliance : Dieser offene Brief an die EU Gesundheitskommissarin Stella-Kyriakides für das Verbot von Glyphosat kann hier gezeichnet werden!

    https://www.env-health.org/wp-content/uploads/2022/12/Ban-glyphosate-letter-Stella-Kyriakides_Dec2022.pdf

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